Das Bakterium Xylella fastidiosa verursacht verschiedene schwere Erkrankungen bei einer Vielzahl von Nutzpflanzen. Der Schädling ist unter anderem verantwortlich für verheerende Seuchen an Weinreben in Kalifornien und an Zitrus- und Kaffeepflanzen in Südamerika. Allein die kalifornische Traubenindustrie kostet diese Schäden jährlich rund 104 Millionen USD. In einem einzigartigen Forschungsprojekt analysierten Wissenschaftler mithilfe der optischen Laserschwingungsmessung die Balzkommunikation der Tiere – und fanden so eine neue Bekämpfungsmethode, die anders als bisherige Maßnahmen wie Pestizideinsatz ganz ohne die Beeinträchtigung des Ökosystems auskommt. Das lässt auch Landwirte in Europa hoffen, wo sich das Bakterium seit 2013 ebenfalls ausbreitet.
Ein gemeinsames Forschungsprojekt des United States Department of Agriculture (USDA) und der Edmund Mach Foundation in Italien, geleitet von Entomologe Rodrigo Krugner, hat dem Bakterium Xylella fastidiosa in kalifornischen Weinbergen den Kampf angesagt. Das Bakterium löst mehrere schwere Pflanzenkrankheiten aus,beispielsweise das Olivenbaumsterben(englisch: olive quick decline syndrome) in Italien oder den sogenannten Zitrus-Krebs in Brasilien.
Die betroffenen Pflanzen erleiden eine Blockade ihrer Wasser- und Nährstoffversorgung und sterben ab oder werden lebenslang unproduktiv. Der glassy-winged Sharpshooter (GWSS) wurde als ein wichtiger Vektor, also Überträger, identifiziert, der das Xylellafastidiosa in kalifornischen Weinbergen verbreitet. Der GWSS ist ein entfernter Verwandter der Zikaden. Erist ein besonders gefährlicher Vektor,da er über eine große Flugreichweite verfügt und das Bakterium besonders schnell in umliegende Gebiete verbreitet. Seit über 25 Jahren dämmen eingesetzte Pestizide die Population des GWSS ein. Die zuletzt zunehmende Toleranz der GWSS für die versprühten Gifte zwang die Forschung jedoch dazu, neue Wege zu beschreiten.
Laservibrometer in der Entomologie
Die GWSS verfügen über ein komplexes Kommunikationssystem. Anders als die Zikade, die Lockrufe über die Luft überträgt, erzeugt der GWSS Laute, indem er seinen Körper in Schwingung versetzt und so Vibrationen über die Pflanzen aussendet. Über Sinnesorgane in den Beinen nehmen die Tiere die Signale der Artgenossen wahr.
Auch für die Suche nach Paarungspartnern kommunizieren die Tiere über Vibrationen, die sie über die Pflanzen verbreiten. »These are frequencies and vibrations transmitted to the plant we cannot hear without specialized equipment«, erklärt Rodrigo Krugner.
Die Idee des Forscherteams war es, diese Frequenzen und Schwingungen zunächst zu entschlüsseln, um einen Ansatz zu finden, sie zu unterbinden oder zu stören: »The approach is to disrupt communication of the insect. The first step is to identify and describe their mating calls. We also look for week links in their communication system. These are places where we are going to try to interfere with«, sagt Krugner. Für die Erfassung und Analyse der Frequenzen der Paarungsrufe setzten die Forscher einen tragbaren Laser-Schwingungssensor von Polytec ein.
Mobile Schwingungsmessung für Labor und Feldstudien
Der Arbeitsabstand des kompakten Vibrometers ist von 0,4 bis über 20 Meter variabel und die Leistungsaufnahme gering, was es gerade für biologische Proben einsetzbar macht –für Laboranalysen wie für Feldversuche direkt in den Weinbergen.
In der aktuellen Version misst das tragbare, netzunabhängige Laservibrometer optisch und somit berührungsfrei die Schwinggeschwindigkeiten von Messobjekten im Frequenzbereich von DC bis 100 kHz.
Das Gehäuse ist hermetisch abgeschlossen, die Bauweise robust und leicht. Dank optionalem Batteriebetrieb, innovativem Schnittstellenkonzept und Kompatibilität zu Datenerfassungssystemen ist es explizit zur Schwingungsmessung im mobilen Einsatz ausgelegt: Für Inspektionen von Anlagentechnik in starken elektromagnetischen Feldern oder sonstigen Gefahrenbereichen sowie bei Forschungsarbeiten in entlegenen Gebieten wie in Wäldern und Wildnis. Den Forschern gelang es, die verschiedenen Geräusche in Dauer und spektralen Parametern zu erfassen, zu analysieren und sie den einzelnen Balz-Akteuren zuzuweisen. In der Balz-Kommunikation identifizierten sie die Schwingfrequenzen der rufenden Weibchen, der werbenden Männchen und die Signale von Paarungskonkurrenten. Durch die Verhaltens- und Signalanalyse isolierten die Forscher so, was sie »candidate disrupting signals« nannten, welche die Balzkommunikation des eigentlichen Paares störten und damit die Paarung unterbanden. Mit diesen aufgezeichneten Störsignalen beschallte das Team die Insekten, um sie an der Paarung zu hindern.
Erfolg und künftige Projekte
Unter kontrollierten Feldbedingungen zeigt die Methode vielversprechende Erfolge: Von 134 GWSS-Paaren paarten sich in der Kontrollgruppe, die nicht beschallt wurde, 28 Paare. Von den 134 Paaren, die mit den Störsignalen beschallt wurden, paarte sich hingegen nur ein einziges. Auch im Feld bewährte sich die neue Methode, wie Krugner zusammenfasst: »We took the playback-sounds out in the field and we were able to disrupt mating of virgin insects in vineyards. «
Die Methode ist kombinierbar mit bisherigen Maßnahmen wie der flächendeckenden Ausbringung von Insektiziden oder der Massenverbreitung von natürlichen Fressfeinden der Schädlinge. Anders als der Einsatz von Giftspray oder von exotischen Fressfeinden bekämpft die Beschallung ausschließlich den GWSS und hat keinerlei Einfluss auf die dort beheimateten Nutzinsekten, denn seine Kommunikationsfrequenzen sind artspezifisch.
Der neuartige und umweltschonende Ansatz und die bisherige Datenlage lassen hoffen, dass die USDA eine erfolgversprechende Methode entwickeln konnte, um nicht nur die GWSS Population einzudämmen. Nun gilt es, weitere und umfassendere Daten zu eruieren und die Beschallung an den Rebstock-Spalieren zu optimieren. Je größer der Abstand zur Schallquelle, desto geringer ist die Intensität hochfrequenter Spektralanteile und desto geringer vermutlich auch die Störwirkung auf das Paarungsverhalten der Insekten. Das Forscherteam plant zudem, die Störsignale von weiteren Traubenschädlingen, die ebenfalls über Schwingungen kommunizieren, zu identifizieren, unter anderem weitere Vektoren des Xylella fastidiosa.
Dieser Fachartikel erschien im Sensor Magazin, Ausgabe 4/2019