Die Ingenieure von PolyXperts, der Dienstleistungsparte des Spezialisten für optische Messtechnik Polytec in Waldbronn, hatten schon immer spannende Aufgaben in der Schwingungs- und Geräuschoptimierung und der Betriebsfestigkeit zu lösen. Mit dem Thema Elektromobilität wird es im wahrsten Sinne des Wortes „hochspannend“. Die Herzstücke der Antriebstechnik, wie Motoren, Batterien und Leistungselektronik, habe ihre besonderen messtechnischen Herausforderungen. Um diese im Auftrag der OEMs und TIER1-Supplier zu meistern, greifen die PolyXperts auf die hauseigene laseroptische Schwingungs- und Dehnungsmesstechnik zurück. Was macht die Aufgaben so anspruchsvoll?
Sind Verbrennungsmotoren einfach nur heiß, hüllen sich Elektromotoren zusätzlich noch in starke magnetische und elektromagnetische Felder. Die Traktionsbatterien und Inverter arbeiten heute schon mit 400 V und höhere Spannungen werden angestrebt. Durch hohe Drehzahlen liegen die Schwing-Frequenzen im hohen Kiloherzbereich und akustische Quellen sind oft auch elektronischer Natur.
Laser-Vibrationssensoren messen aus der Ferne und bleiben auch bei starken elektromagnetischen Feldern neutral und präzise. Das ist einer der Gründe, warum die PolyXperts in die Entwicklungsabteilungen gerufen werden. Zuverlässigkeitsuntersuchungen von spannungsführenden Teilen von Steuergeräten auf Schwingungsprüfständen gehören schon fast zu den konventionellen Aufgaben. Neue Herausforderungen stellen etwa Messungen von Relativbewegungen auf Kontakten und Bonddrähten unter Schwingungsbelastung dar.
Damit sind schon die beiden großen Einsatzfelder angedeutet:
Auf der einen Seite steht die Betriebsfestigkeit, also der Nachweis, dass eine prognostizierte Anzahl von Lastspielen auch fehlerfrei ertragen wird. Auf der anderen Seite stehen Noise, Vibration & Harshness (NVH) und damit der Komfort für den Kunden im Mittelpunkt.
Betriebsfestigkeit und mechanische Zuverlässigkeit von Steuergeräten und Kontaktierungen
Elektrische Verbindungen in Steuergeräten und Invertern sind im Fahrzeug Schwingungs- und Stoßbelastungen ausgesetzt. Grundvoraussetzung für die Zuverlässigkeit ist eine geeignete Fügetechnik wie Dickdrahtbonden oder Litzenschweißen. Werden die Nominalamplituden im Prozess erreicht? Stimmen die Phasen zwischen Werkstück und Werkzeug? Die prozesssichere Anwendung dieser Ultraschall-Verfahren wird mit laservibrometrischen Verfahren direkt an den Fügestellen und den Werkzeugen geprüft.
Potentielle Fehlerquellen identifizieren
Sind die Platinen bereits verdrahtet, wird auf dem Schwingungsprüfstand mit µm-großen Laserstrahlen die Verteilung der Schwingungsamplituden und ihrer Phasenbeziehungen ermittelt. Mithilfe der Messdaten und der Finite-Elemente-Modelle lassen sich potentielle Fehlerquellen sichtbar machen und rechtzeitig vor dem Serienstart beheben.
Das oben beschriebene Verfahren ist heute ein Standardverfahren in der Automobil- und Luftfahrtindustrie, hat aber bei der Entwicklung der Traktionsbatterien neue Anwendungen gefunden. Relativbewegungen unter Schwingungsbelastung können die Lebensdauer gerade von elektrischen Kontakten reduzieren und zum vorzeitigen Ausfall führen. Um solche Schwachstellen zu erkennen, wird mit der neuesten phasensynchronisierten Multipoint Vibrometrie gearbeitet. Mittels berührungsloser triaxialer Schwingungsmessungen werden Bewegungen und Resonanzstellen identifiziert, ohne die Messstellen vorbereiten oder berühren zu müssen. Spannungsführende Teile lassen sich ebenso einbeziehen wie klassische mechanische Tragstrukturen auf Zellen- oder Modulebene. Durch die synchrone Datenaufnahme lässt sich das Verfahren gut in die bewährten Schwingprüfprozesse einbauen und der Prüfzyklus in einem Datensatz auswerten.
NVH und experimentelle Modalanalyse
Auch der Antrieb eines E-Fahrzeugs erfordert in erster Näherung die gleichen Tests wie ein konventioneller Antriebsstrang. Nur dass sich vieles einfach schneller dreht und die Motoren eben in permanentmagnetische oder elektromagnetische Felder eingehüllt sind, bei der konventionelle Messtechnik versagt. Aus Sicht des akustischen Komforts sind aber durch tonale Komponenten aus dem E-Antrieb, dem Einstufen-Reduktionsgetriebe und dem Inverter neue Anforderungen an Dämmung, Dämpfung und Transferpfad-Untersuchungen auf den NVH-Entwickler zugekommen. Die PolyXperts adressieren diese hochfrequenten Komponenten durch räumlich hochaufgelöste, modale und operationale Schwingungstests. Scannende Laser-Doppler-Vibrometer liefern vollflächigen Datensätze. Sie visualisieren die Körperschallquellen und liefern – modal gemessen – wertvolle Eingangsdaten für den Abgleich und die Optimierungen von Simulationsmodellen. Gerade Finite-Elemente-Modelle im Bereich mehrerer Kilohertz sind schwierig zu modellieren und profitieren besonders von der Validierung durch Messdaten guter räumlicher Auflösung.
Entwicklung und Test – Hand in Hand
Elektrifizierung bringt neue Herausforderungen für Ingenieure und Messtechnik. Kapazitäten für den Test, die richtigen und sicheren Messgeräte für spannungsführende Teile und elektromagnetische Felder dann zur Verfügung zu haben, wenn denn die Zeit drängt, das ist das PolyXpert-Konzept. Die Kombination von messtechnischer Expertise und dem Systemwissen der OEMs oder Tier1-Suppliers hebt die Zuverlässigkeit und die Kundenzufriedenheit mit dem Endprodukt auf das geforderte Niveau und legt bereits die Datenbasis für die nächste Generation. Denn die kommt bestimmt mit neuen Herausforderungen.
Dieser Fachartikel erschien in OEM Supplier 2019.