Das Weißlicht-Interferometer misst mit hoher vertikaler und lateraler Auflösung. (Urheber: Polytec)

Feinste Strukturen und Höhenabstufungen präzise prüfen

Immer, wenn es um die Prüfung der Oberflächen feinster Strukturen geht, sind Weißlicht-Interferometer in ihrem Element, in der Elektronikfertigung und Entwicklung ebenso wie in Labor und Forschung. Das Verfahren arbeitet berührungslos und funktioniert auf nahezu allen Materialien. Dabei liefert die dreidimensionale optische Messtechnik nicht nur eine funktions- und strukturorientierte Auswertung als Basis für Qualitätskontrolle und Fertigungsoptimierung, sondern auch ein für die menschliche Auffassungsgabe leicht verständliches Abbild der Oberfläche. Bei Lab-on-a-Chip-Systemen, wie sie zum Beispiel für PCR- oder Tuberkulosetests eingesetzt werden, beweisen Weißlicht-Interferometer ihre Leistungsfähigkeit beispielsweise bei der Anpassung der Werkzeuge zum Versiegeln oder der Optimierung der filigranen Spritzgusswerkzeuge für die Fertigung.

Der Begriff Lab-on-a-Chip bezeichnet ein mikrofluidisches System, das die Funktionalität eines Labors auf einem kleinen Träger aus Glas oder Kunststoff, der sogenannten Kartusche, unterbringt, die typischerweise nur etwa die Größe einer CD oder Scheckkarte hat. Damit lassen sich geringste Mengen einer Flüssigkeit auf einem einzigen Chip vollständig und automatisch analysieren. Der Transport der Proben zwischen den verschiedenen Reaktions- und Analysekammern kann dann mithilfe von Kapillar- und Zentrifugalkräften stattfinden. Einen bekannten Einsatzbereich haben solche Systeme zum Beispiel bei schnellen PCR-Tests direkt am Point-of-Need in Arztpraxen oder Apotheken gefunden.

Von der Entwicklung bis zur Serienfertigung

Als Spezialist für Lab-on-a-Chip-Systeme gilt Hahn-Schickard in Freiburg (vgl. Firmenkasten 1). Das Institut gehört zur Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. mit Hauptsitz in Villingen-Schwenningen, ein Forschungs- und Entwicklungsdienstleister, der nicht nur entsprechende Lösungen entwickelt, sondern die Projekte seiner Kunden bis zur Marktreife begleitet. Im sogenannten Scale-up werden durch technologische Prozessentwicklung geeignete Fertigungsverfahren evaluiert und realisiert, die dann eine zuverlässige Herstellung medizintechnischer Produkte ermöglichen, wobei Kosten und Time-to-Market berücksichtigt sind. 

Die Fertigungslinie im eigenen Reinraum bildet die gesamte Wertschöpfungskette einer Serienherstellung von Testträgern für die In-vitro-Diagnostik in mittleren Losgrößen bis etwa 200.000 Stück pro Jahr ab (Bild 1). Die Fertigung ist flexibel aufgebaut, sodass individuell auf unterschiedliche Produktanforderungen eingegangen und viele Technologien genutzt werden können. Dazu zählt zum Beispiel das Mikrothermoformen der Kunststoffkartusche und die Modifikation von Kunststoffoberflächen ebenso wie die Vorlagerung von Flüssigreagenzien, das Einbringen von Nachweis-Reagenzien und schließlich das fluidisch dichte Siegeln der Kartuschen sowie deren Endverpackung.

Präzise Anpassung des Siegelwerkzeugs

„Das Aufbringen der Siegelfolie auf den Kartuschen ist anspruchsvoll“, berichtet Raimund Rother (Bild 2), Prozessingenieur bei Hahn-Schickard, „Es gibt beim Siegeln gleich zwei Herausforderungen: Wir müssen zum einen eine hohe Siegelfestigkeit erreichen, ohne die feinen Kanäle der Kartusche beim Bonden zu verschließen. Zum anderen lassen sich bei den Spritzgussstärken fertigungstechnische Toleranzen nie ganz vermeiden, was wir beim Siegeln ausgleichen müssen.“ Die Siegelwerkzeuge müssen deshalb in ihren Höhenabstufungen genau auf die Kartusche abgestimmt werden. Bei zu geringer Höhe ist die Siegelkraft zu gering, die Kartuschen sind dann nicht dicht. Ist die Höhe zu groß, gibt es Druckspritzen und Schmelze kann die feinen Kanäle verstopfen. „Damit wir das Siegelwerkzeug genau anpassen können, vermessen wir die Höhenstufen der Kartusche mit einem Weißlichtinterferometer. Diese Daten bilden dann die Basis für die Auslegung des Siegelwerkzeugs (Bild 3).“

Die Vermessung der Kartusche übernimmt ein Weißlicht-Interferometer von Polytec (vgl. Firmenkasten 2). Überall dort, wo es um die Prüfung feinster Komponenten und Strukturen geht, sind die TopMap-Oberflächenmesssysteme von Polytec gut geeignet (Bild 4). Sie messen mit hoher vertikaler und lateraler Auflösung. „Eine laterale Auflösung im Nanometerbereich bei hoher Messgeschwindigkeit ist für unsere Anforderungen ideal“, ergänzt Raimund Rother. „Unsere Wandstärken beim Spritzguss weichen typischerweise bis zu +/- 10 µm von der Konstruktionsdaten ab, da muss das Messsystem schon deutlich genauer sein und ein höheres Auflösungsvermögen haben, um schlussendlich gute Ergebnisse bei der Anpassung des Siegelwerkzeug zu erreichen.“

Dank der hohen Auflösung, der telezentrischen Optik sowie der hohen Messgeschwindigkeit bleiben dem Weißlicht-Interferometer keinerlei Details verborgen. Binnen weniger Sekunden erfasst es ohne Stitching zwei Millionen Messpunkte auf einer 44 x 33 mm² großen Messfläche. Durch das große Bildfeld lässt sich der gesamte Chip mit wenig Aufwand vermessen. Da die Kartusche transparent ist, erhalten wir zudem simultan die Messwerte von der Ober- und Unterseite, kennen also auch die Dicke der Kartusche“, fährt Raimund Rother fort.

Dank vieler Exportmöglichkeiten können die 3D-Messdaten des Weißlicht-Interferometers anschließend mit jeder geeigneten Auswertungssoftware bearbeitet werden. Besonders einfach und praxisgerecht geht das mit der speziell für diese Polytec-Topografie-Messsysteme entwickelten TMS-Software, die auch Hahn Schickard nutzt. Sie bietet zahlreiche Möglichkeiten, um die Messergebnisse zügig und ISO-konform auszuwerten. „Messrezepte“ beispielsweise erleichtern Routineaufgaben. Hier lassen sich die Einstellungen für die Datenaufnahme (zum Beispiel Messposition, Beleuchtungseinstellungen, Kameraparameter) zusammen mit Auswerteparametern (zum Beispiel Nachbearbeitungsschritte, Visualisierungs- oder Exportmöglichkeiten) für spezielle Messaufgaben definieren und abspeichern. Das spart besonders im Produktionsumfeld Zeit und vermeidet Bedienfehler. „Das Besondere an der Polytec-Software ist die Transparenz bei der Funktionsweise der Nachbearbeitungsschritte, was sie von namhaften Mitbewerbern unterscheidet.“, führt Raimund Rother aus. „Nachbearbeitung von Messdaten ist immer ein zweischneidiges Schwert, da man seine Messdaten zwar aufbereiten, aber nicht verfälschen will“

Für die Messaufgaben bei der Lab-on-a-Chip-Produktion ist die dreidimensionale optische Messtechnik ohne ernstzunehmende Alternative. Das Verfahren arbeitet berührungslos, also ohne mechanischen Verschleiß an Messsystem oder Kartusche bei gleichzeitig durch taktile Verfahren unerreichbar hohen Messgeschwindigkeiten. Taktile Verfahren wären dazu aber ohnehin nicht geeignet, denn die Höheninformation würde hier nur zweidimensional entlang eines Profils gewonnen. Darüber hinaus ist die Messung der Dicke durch gleichzeitige Messung beider Kartuschenseiten mit anderen Methoden nicht möglich.

Mittlerweile hat sich das Weißlicht-Interferometer für die Anpassung der Siegelwerkzeuge bestens bewährt. „Wir nutzen die Messdaten aber inzwischen auch, um die Spritzgusswerkzeuge ständig weiter zu optimieren“, so Raimund Rother abschließend.

Text für einen Kasten: Weißlicht-Interferometrie

Moderne Weißlicht-Interferometer nutzen die Interferenzeffekte, die bei der Überlagerung des vom Messobjekt reflektierten Lichts mit einem Referenzsignal auftreten. Das Messverfahren basiert auf dem Prinzip des Michelson-Interferometers, wobei der optische Aufbau (Bild 6) eine Lichtquelle mit einer Kohärenzlänge im µm-Bereich enthält. An einem Strahlteiler wird der kollimierte (also gerade gerichtete bzw. parallelisierte) Lichtstrahl in Mess- und Referenzstrahl aufgeteilt. Der Messstrahl trifft das Messobjekt, der Referenzstrahl einen Spiegel. Das vom Spiegel und Messobjekt jeweils zurückgeworfene Licht wird am Strahlteiler überlagert und auf eine Kamera abgebildet. Stimmt der optische Weg für einen Objektpunkt im Messarm mit dem Weg im Referenzarm überein, kommt es für alle Wellenlängen im Spektrum der Lichtquelle zu einer konstruktiven Interferenz.

Das Kamerapixel des betreffenden Objektpunktes hat dann die maximale Intensität. Für Objektpunkte, die diese Bedingung nicht erfüllen, hat das zugeordnete Kamerapixel eine niedrigere Intensität. Geräte mit telezentrischem Aufbau erfassen die Topographie großer Flächen in einem einzigen Messvorgang innerhalb einer kurzen Messzeit   und erreichen selbst schwer zugängliche Vertiefungen wie Bohrungen. Wenn dagegen eine hohe laterale Auflösung gefordert ist, bieten sich mikroskopbasierte Systeme an, bei denen der optische Aufbau mitsamt dem Referenzarm in das Objektiv integriert ist.

Firmenkasten 1: Hahn-Schickard – Zukunftstechnologie Mikrosystemtechnik

Hahn-Schickard entwickelt intelligente Produkte mit Mikrosystemtechnik: von der ersten Idee bis zur Fertigung – branchenübergreifend. Der Forschungs- und Entwicklungsdienstleister ist mit seinen Instituten an vier Standorten in Baden-Württemberg vertreten: in Stuttgart, Villingen-Schwenningen, Freiburg und Ulm. In vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Industrie realisiert Hahn-Schickard innovative Produkte und Technologien in den Bereichen Sensorik, intelligente eingebettete Systeme für das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, Lab-on-a-Chip und Analytik sowie Aufbau- und Verbindungstechnik und elektrochemische Energiesysteme. Das Angebot umfasst auch die Herstellung von kleineren und mittleren Serien sowie die Überleitung in die Großserienfertigung.

Firmenkasten 2: Über Polytec

Als Lasertechnologie-Pionier bietet Polytec bereits seit 1967 optische Messtechnik-Lösungen für Forschung und Industrie. Nach den Anfangsjahren als Distributor machte sich das Hochtechnologie-Unternehmen mit Sitz in Waldbronn bei Karlsruhe schon in den 70er Jahren einen Namen als Entwickler eigener laserbasierter Messgeräte und ist heute Weltmarktführer im Bereich der berührungslosen Schwingungsmesstechnik mit Laservibrometern. Systeme für die Längen- und Geschwindigkeitsmessung, Oberflächencharakterisierung, Analytik sowie die Prozessautomation gehören ebenfalls zur breiten Palette an Eigenentwicklungen. Eine weitere Kernkompetenz von Polytec ist die Distribution von Bildverarbeitungskomponenten und optischen Systemen.

 

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